Vergleich: Klassische neuronale Netz vs. Deep-Learning
Künstliche neuronale Netze haben sich seit ihrer Einführung in den 1950er Jahren stark weiterentwickelt. Besonders der Durchbruch des Deep Learning hat die Art und Weise, wie neuronale Netze genutzt werden, revolutioniert. Doch auch wenn beide Ansätze auf ähnlichen Grundprinzipien beruhen, gibt es entscheidende Unterschiede in ihrer Anwendung und den damit verbundenen Herausforderungen. Dieser Artikel beleuchtet, wie sich die klassische Nutzung von KNN von modernen Deep-Learning-Methoden unterscheidet.
1. Feature Engineering: Handarbeit vs. Automatisierung
Einer der zentralen Unterschiede zwischen klassischen KNN und Deep Learning liegt im Feature Engineering, dem Prozess, relevante Merkmale aus den Daten zu extrahieren:
- Bei klassischen KNN wird dieser Schritt häufig manuell durchgeführt. Man wählt bestimmte Merkmale (Features) aus, die für die jeweilige Aufgabe als relevant angesehen werden, basierend auf Expertenwissen oder heuristischen Ansätzen. Dieser Prozess erfordert viel Vorwissen über die zugrunde liegenden Daten und ist besonders zeitaufwendig. Beispielsweise könnte man bei einem Bilderkennungsprojekt manuell die Kantendetektion oder andere Merkmalsextraktionen definieren.
- Deep Learning-Modelle hingegen automatisieren diesen Prozess weitgehend. Die Netzwerke lernen selbstständig, welche Merkmale für die jeweilige Aufgabe am wichtigsten sind. Dieser automatisierte Ansatz ermöglicht es, tiefere und komplexere Merkmalsdarstellungen zu finden, die oft von Menschen schwer zu definieren wären. Besonders in Bereichen wie der Bild- und Sprachverarbeitung ist diese Fähigkeit ein großer Vorteil.
Beispiel: Bildverarbeitung
In der klassischen Nutzung von KNN könnte man beispielsweise Hand-Engineered-Features wie Kanten, Texturen oder Farbverläufe nutzen. Deep-Learning-Modelle hingegen lernen automatisch komplexe Muster, wie Formen und Objekte, direkt aus den Rohpixeln.
2. Datenanforderungen: Geringe Datenmengen vs. Big Data
Ein weiterer wesentlicher Unterschied besteht in der Menge der benötigten Trainingsdaten:
- Klassische KNN kommen oft mit kleineren Datensätzen zurecht. Das liegt daran, dass die Modelle in der Regel weniger Parameter haben und somit weniger Daten benötigen, um nicht zu überanpassen (Overfitting). Dieser Vorteil macht sie besonders attraktiv für Anwendungen, in denen nur begrenzte Daten zur Verfügung stehen.
- Deep Learning hingegen erfordert in der Regel große Datenmengen, um effektiv zu funktionieren. Die Komplexität der Modelle und die Vielzahl an Parametern erfordern eine große Menge an Trainingsdaten, um die Muster in den Daten generalisieren zu können. In den letzten Jahren hat der Zugang zu umfangreichen Datensätzen, insbesondere durch das Internet und das Wachstum von Cloud-basierten Datenbanken, diese Anforderung jedoch erheblich vereinfacht.
3. Rechenleistung: Geringer Bedarf vs. Hoher Bedarf
Ein signifikantes Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Ansätzen ist der Rechenaufwand:
- Klassische KNN benötigen in der Regel weniger Rechenleistung. Sie können oft auf Standard-Hardware wie CPUs trainiert und ausgeführt werden, da sie weniger Parameter haben und der Trainingsprozess insgesamt weniger komplex ist. Dies macht klassische KNN attraktiv für Szenarien, in denen Hardware-Ressourcen begrenzt sind oder schnelle Ergebnisse gefordert werden.
- Deep Learning ist hingegen sehr rechenintensiv. Die Trainingsphase von tiefen Netzen erfordert oft spezialisierte Hardware wie GPUs oder sogar TPUs, um das Training parallelisieren und beschleunigen zu können. Der Bedarf an Rechenleistung kann erheblich sein, insbesondere bei großen Modellen oder bei Anwendungen, die Echtzeit-Verarbeitung erfordern, wie etwa autonome Fahrzeuge oder Sprachverarbeitung.
4. Trainingszeit: Schnell vs. Zeitaufwendig
Die Trainingszeit ist ein weiterer Punkt, in dem sich klassische KNN und Deep Learning stark unterscheiden:
- Klassische KNN lassen sich in der Regel schneller trainieren, da die Modelle kleiner und die Datenanforderungen geringer sind. In vielen Fällen kann das Training in Minuten oder Stunden abgeschlossen sein, selbst auf standardmäßiger CPU-Hardware.
- Deep Learning hingegen kann deutlich mehr Zeit in Anspruch nehmen. Das Training tiefer Netzwerke auf großen Datensätzen kann Stunden, Tage oder sogar Wochen dauern, selbst auf leistungsstarker Hardware wie GPUs. Dies stellt in zeitkritischen Anwendungen oder bei häufig wechselnden Modellen eine Herausforderung dar.
Dagegen muss allerdings abgewogen werden, dass Feature-Engineering bei klassischen KNNs ebenfalls zeitaufwändig ist und vor allem menschliche Arbeitszeit und Expertenwissen benötigt.
5. Generalisation und Überfitting: Simpler vs. Komplexer Umgang
Ein wichtiger Aspekt beim Einsatz von KNN oder Deep Learning ist die Frage, wie gut das Modell generalisiert – also, wie gut es auf neuen, ungesehenen Daten funktioniert:
- Klassische KNN sind oft anfälliger für Overfitting bei komplexen Aufgaben, da sie in ihrer Struktur begrenzt sind. Sie neigen dazu, spezifische Muster in kleinen Datensätzen zu überlernen und haben Schwierigkeiten, auf größeren oder variableren Datensätzen zu generalisieren.
- Deep Learning-Modelle können besser generalisiert werden, wenn genügend Daten vorhanden sind, um sie zu trainieren. Allerdings besteht bei tiefen Netzen ebenfalls die Gefahr des Overfittings, wenn das Modell zu komplex ist und die verfügbaren Daten nicht ausreichend groß sind. In solchen Fällen nutzt man oft Regularisierungstechniken wie Dropout, um diesem Problem entgegenzuwirken.
6. Erklärbarkeit: Verständlicher vs. Black Box
Ein häufiger Kritikpunkt an Deep Learning ist die geringe Erklärbarkeit der Modelle:
- Klassische KNN-Modelle sind oft einfacher zu interpretieren. Man kann relativ gut nachvollziehen, wie das Modell zu einer Entscheidung gelangt ist, indem man die Gewichtungen der Neuronen und die Verbindungsmuster analysiert. Dies ist besonders wichtig in Anwendungen, bei denen die Transparenz des Entscheidungsprozesses von Bedeutung ist, wie etwa im Gesundheitswesen oder in rechtlichen Kontexten.
- Deep Learning-Modelle werden oft als Black Box-Modelle bezeichnet, da es schwierig ist zu verstehen, wie genau sie eine Entscheidung treffen. Dies liegt an der hohen Anzahl von Parametern und den komplexen Mustern, die sie lernen. Die geringe Erklärbarkeit kann ein Hindernis sein, insbesondere in sicherheitskritischen Anwendungen, in denen Nachvollziehbarkeit entscheidend ist. Hier wird zunehmend an Methoden der Erklärbaren KI (XAI) gearbeitet, um mehr Transparenz in Deep-Learning-Modelle zu bringen.
7. Anwendungsbereiche: Standard-Aufgaben vs. Komplexe Datenverarbeitung
Schließlich unterscheiden sich die beiden Ansätze auch in ihren Anwendungsbereichen:
- Klassische KNN werden oft für einfachere Aufgaben eingesetzt, bei denen die Daten gut strukturiert sind und klare Beziehungen bestehen. Dazu gehören einfache Klassifikationsaufgaben, Regressionsmodelle und Aufgaben, bei denen nur begrenzte Rechenressourcen zur Verfügung stehen.
- Deep Learning findet Anwendung in Bereichen, die komplexe, unstrukturierte Daten erfordern, wie Bildverarbeitung, Spracherkennung und Natural Language Processing (NLP). Hier ermöglicht die automatische Merkmalsextraktion und die Fähigkeit, tiefe Abstraktionen zu lernen, signifikante Leistungssteigerungen. Anwendungen wie die Entwicklung autonomer Fahrzeuge, personalisierte medizinische Diagnosen und die Übersetzung natürlicher Sprache wären ohne Deep Learning kaum denkbar.
8. Verbesserung der Algorithmen: ReLU und Skip-Layer
Ein entscheidender Fortschritt im Bereich des Deep Learning war die Entwicklung und Implementierung neuer Aktivierungsfunktionen und Netzwerkarchitekturen, die das Training tiefer neuronaler Netze erheblich verbessert haben:
- Ein Durchbruch war die Erkenntnis, dass die ReLU (Rectified Linear Unit)-Aktivierungsfunktion viel effizienter in größeren Netzen als traditionelle Aktivierungsfunktionen wie Sigmoid oder Tanh arbeitet, da sie schneller trainiert und das Problem des Verschwindens des Gradienten minimiert. Besonders bei tiefen Netzwerken hilft ReLU dabei, den Gradienten während des Trainings stärker zu halten, was das Lernen verbessert und beschleunigt.
- Ein weiterer Fortschritt sind Skip-Layer-Ansätze (auch bekannt als Residual Networks). Hierbei wird nicht nur der Output eines Layers an den nächsten weitergegeben, sondern der Input eines Layers wird parallel ebenfalls direkt an spätere Layer propagiert. Dies erleichtert das Training tiefer Netze, da das Modell so besser lernen kann, welche Informationen weiter oben in der Netzwerkstruktur benötigt werden. Diese Technik hat das Problem der Degradation tiefer Netze gelöst, bei dem das Hinzufügen weiterer Schichten die Lernfähigkeit des Modells verschlechtert hat.
9. Minima der Fehlerfunktion: Lokale vs. Globale Optima
Ein weiteres wichtiges Konzept, das die Entwicklung tiefen Lernens von klassischen KNN unterscheidet, ist das Verständnis von lokalen und globalen Minima in der Fehlerfunktion:
- Klassische KNN-Ansätze zielten darauf ab, das globale Minimum der Fehlerfunktion zu finden. Da diese Netzwerke meist aus wenigen Dimensionen bestehen, ist die Fehlersuche vergleichsweise übersichtlich. Hier bleibt der Gradientenabstieg oft in lokalen Minima stecken, was als Nachteil angesehen wurde. Allerdings können globale Minima in diesen kleinen Netzwerken relativ einfach durch das Ausprobieren verschiedener Startpunkte oder Lernraten erreicht werden.
- Bei Deep-Learning-Netzen, die eine viel größere Anzahl an Dimensionen (durch viele Neuronen und Parameter) aufweisen, hat man festgestellt, dass lokale Minima oft die bessere Generalisierung bieten. Dies liegt zum einen daran, dass im hochdimensionalen Raum globale Minima tendenziell zu Overfitting führen, während lokale Minima flexibler sind und das Netzwerk besser auf ungesehene Daten generalisiert. Zum anderen kann aufgrund der hohen Anzahl an Parametern kann der Gradientenabstieg zudem in tiefen Netzen fast kontinuierlich fortgesetzt werden, da es in diesen hochdimensionalen Räumen relativ wenige Punkte gibt, in denen alle Dimensionen gleichzeitig ein Minimum bilden.
Fazit
Die Unterschiede zwischen klassischer Nutzung von KNN und Deep Learning sind vielfältig. Während klassische KNN-Modelle häufig in Szenarien mit kleineren Datenmengen, geringeren Rechenressourcen und erklärbaren Entscheidungen nützlich sind, erfordern Deep-Learning-Modelle umfangreiche Daten, hohe Rechenleistung und lange Trainingszeiten. Der automatische Feature-Learning-Prozess macht Deep Learning jedoch unschlagbar in der Verarbeitung komplexer Daten und der Lösung anspruchsvoller Probleme. Im Nachhinein wirkt es fast unerklärlich weshalb man glaubte, dass kleine Netze großen Netzen prinzipiell überlegen sind (ähnlich mit Handys und Smartphones: In den 1990ern und 2000ern wurden immer kleinere Handys als Verbesserung angesehen, während nach der Einführung des iPhones mit einem Display die Handys wieder größer wurden und auch immer größere Handys beliebter wurden – hier waren das Display und die dadurch ermöglichten neuen UseCases der Treiber des Paradigmenwechsels).
Letztlich hängt die Wahl zwischen klassischem KNN und Deep Learning stark von den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Aufgabe ab. Man sollte sich also überlegen, welche Ressourcen verfügbar sind, wie komplex die Datenstruktur ist und welche Art von Generalisierung und Erklärbarkeit erforderlich ist.